Auch wenn das Jahr 2021 in der amerikanischen Politik einiges zu bieten hatte, von spannenden Wahlen war es allerdings nicht geprägt. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich befinden wir uns in einem ungeraden Jahr und das heißt, es gibt weder eine Präsidentschaftswahl, noch Wahlen für den US-Kongress. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass das amerikanische Wahlvolk gar nicht zur Urne gebeten wird. Die wichtigste und vor allem aussagekräftigste dieser Wahlen findet 02. November im Bundestaat Virginia statt, wenn die Bevölkerung dazu aufgerufen ist, einen neuen Gouverneur zu ernennen. Dieser ist der Staats- und Regierungschef des Bundestaates und hat damit das höchste politische Amt in seinem Staate inne.
Ein Blick in die Vergangenheit
Der Staat Virginia liegt an der Ostküste der USA, direkt südlich der Hauptstadt Wahington DC und kann auf eine politisch bewegte Vergangenheit zurückblicken. Im 19. Jahrhundert gehörte Virginia zu den Bundestaaten, die die Sklaverei am Leben halten wollten und kämpfte im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) an der Seite der Konföderierten für die Unabhängigkeit der Südstaaten. Wie viele andere Südstaaten wurde Virginia in den 1960er und 70er Jahren zu einer Bastion für die Republikanische Partei. Zwischen 1968 und 2004 konnten die Republikaner bei den Präsidentschaftswahlen jedes Mal auf die Wahlmänner aus Virginia zählen. Ende der 90er setzte dann aber ein Trend ein, der die politische Landschaft des Staates deutlich verändern sollte. Denn während der ländliche Süden Virginias einen stetigen Rückgang an Bedeutung und Bevölkerung erlebte, profitierte der Norden von seiner Nähe zu Washington DC. Viele, die sich die Wohnkosten in der expandierenden Hauptstadt nicht mehr leisten konnten, zogen über die Grenze nach Süden und so erlebt dieser Teil des Staates bis heute einen Bevölkerungsboom. Mit den Zuwanderern aus dem Norden begann auch der Trend Virginias in Richtung der Demokraten. 2008 konnte Barack Obama den Staat das erste Mal seit 1964 wieder für die Demokraten gewinnen, die ihn in den vergangen Jahren nicht nur verteidigen, sondern ihre Führung sogar ausbauen konnten. 2020 gewann Joe Biden dort gegen Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl mit einem Vorsprung von über 10 Punkten. Doch auf der lokalen Ebene ist die Lage nicht so eindeutig.
Ausgangslage und Kandidaten
Das Wahlrecht in Virginia macht diese Wahl deutlich spannender. Die Verfassung des Bundesstaates erlaubt nämlich nicht, dass der Amtsinhaber zwei Amtszeiten hintereinander absolvieren darf. Da der Amtsbonus in den USA ein sehr wichtiger Faktor ist, ist dieses Rennen deutlich offener, als es aus Sicht der Demokraten, die derzeit noch den Gouverneur stellen, sein müsste. Trotzdem gehen sie als Favorit in die Wahl. Für sie tritt Terry McAuliffe an. Der 64-Jährige gehört zu den bekanntesten Politikern Virginias und versucht eine zweite Amtszeit als Gouverneur zu erreichen, das Amt, welches er bereits von 2014 bis 2018 inne hatte. Sein Herausforderer der Republikanischen Partei ist der zehn Jahre jüngere Geschäftsmann Glenn Youngkin, der sein erstes politisches Amt anstrebt. In den bisherigen Umfragen konnte McAuliffe seiner Favoritenrolle gerecht werden, er liegt allerdings nur wenige Prozentpunkte vor seinem Herauforder. Es ist also noch alles möglich.
Die Bedeutung dieser Wahl
Für die beiden dominierenden Parteien ist diese Gouverneurswahl der einzige aussagekräftige Stimmungstest in diesem Jahr. Zwar gibt es noch eine weitere Gouverneurswahl, einige Nachwahlen für das Repräsentantenhaus und den Versuch zur Abwahl des Gouverneurs von Kalifornien, sie alle fanden aber in nicht kompetitiven Bezirken oder Staaten statt, sodass die Ergebnisse nur wenig über die politische Lage im Land verraten. So ist die Wahl in Virginia der erste richtige Stimmungstest für Präsident Biden und seine Regierung. Bereits im nächsten November wird das Repräsentantenhaus neu gewählt und ebenso ein Drittel der Sitze im Senat. In beiden Kammern haben Bidens Demokraten derzeit eine knappe Mehrheit, eine Wahlniederlage 2022 würde es Biden also deutlich schwerer machen, seine Agenda in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit durchzusetzen. In Virginia testen also sowohl Demokraten als auch Republikaner ihre Strategien für nächstes Jahr.
Die Rolle Donald Trumps
Obwohl er sich selbst kaum in die Wahl einmischt, ist der ehemalige Präsident Donald Trump trotzdem allgegenwärtig. Natürlich hat er seinen Parteikollegen Youngkin öffentlich unterstützt, große gemeinsame Auftritte gibt es allerdings nicht. Grundsätzlich befindet sich Youngkin in einer schwierigen Situation. Wenn er sich voll und ganz auf Trumps Linie begibt, hat er keine Chance zu gewinnen, da Trump Virginia vor nicht einmal einem Jahr mit über zehn Prozentpunkten Differenz verloren hatte. Er muss also einerseits die auch in Virginia vorhandene loyale Basis Trumps für sich gewinnen, andererseits muss er unzufriedene Biden-Wähler aus dem letzten Jahr von sich überzeugen. Um letzteres zu verhindern setzen die Demokraten voll auf die Trump-Karte. Sie versuchen die Wahl als eine zwischen McAuliffe und einem Republikaner von Trumps Gnaden darzustellen. In diesem Jahr könnte diese Taktik noch aufgehen aber ob die Amerikanerinnen und Amerikaner auch noch im nächsten Jahr mit der Angst vor dem Schreckgespenst Trump zur Urne bewegen lassen, obwohl dieser Name auf gar keinem Wahlzettel auftaucht, ist mehr als fraglich.