Ein Werkzeug, das in der Bewertung von amerikanischen Politikern allgegenwärtig ist, ist der Zustimmungswert für ihre Arbeit. Im Falle des Präsidenten wird dieser Wert von Duzenden Umfrageinstituten regelmäßig erfragt. All diese Datenpunkte werden dann von unabhängigen Seiten dokumentiert und zu einem Durchschnitt zusammengerechnet. Der Zustimmungswert ist somit eine hochaktuelle Fieberkurve eines jeden Präsidenten, die jede Veränderung der politischen Lage aufzeichnet und abbildet. Für den aktuellen Präsidenten Joe Biden gibt es bei einem Blick auf seine Zustimmung nicht viel zu lachen. Gut neun Monate nach seinem Amtsantritt haben sich seine Werte auf konstant niedrigem Niveau stabilisiert. Nur 45 Prozent der Amerikaner sind mit seiner Arbeit zufrieden, während etwa 50 Prozent seine Arbeit ablehnen. Wenn man nun diese beiden Werte miteinander verrechnet erhält man einen Netto-Zustimmungswert von -5 Punkten. Wie aber kommen diese Werte zustande und was bedeuten sie für seine Zukunft als Präsident?

Eine historische Einordnung

Der erste Präsident, für dessen Amtszeit vollständige Werte vorliegen, ist Harry Truman, der zwischen 1945 und 1953 das Amt bekleidete. Somit kann sich Joe Biden mit seinen letzten 13 Vorgängern messen. Doch die Bilanz dabei fällt ernüchternd aus. Zu diesem Zeitpunkt in seiner Präsidentschaft gab es nur einen einzigen seiner Vorgänger, der einen noch schlechteren Wert hatte. Es überrascht vermutlich wenig, dass es sich dabei um seinen direkten Vorgänger Donald Trump handelt, der nach neun Monaten in seiner Präsidentschaft einen Netto-Zustimmungswert von -18 Punkten hatte. Ohne Trump hätte Biden den schlechtesten Wert zu diesem Zeitpunkt seit Präsident Gerald Ford in den 70ern. Bidens ehemaliger Boss, Präsident Obama, hatte lag zu diesem Zeitpunkt bei +12 Punkten, während dessen Vorgänger George W. Bush etwa neun Monate nach dem Beginn seiner Präsidentschaft den besten Wert eines Präsidenten überhaupt mit +74 Punkten hatte. Dies liegt allerdings ausschließlich an den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 und dem kollektiven Zusammenhalten der amerikanischen Bevölkerung nach diesen Anschlägen.

Ursachenforschung

Joe Bidens Werte sind schlecht. Historisch schlecht wäre in diesem Fall nicht mal eine Untertreibung. Woran aber liegt diese Schwäche? Zum einen ist sie Ausdruck der immer größer werdenden Teilung der amerikanischen Bevölkerung in Demokraten und Republikaner. Während George W. Bush nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 auch große Zustimmung von Anhängern der Demokraten erhielt, scheint ein solcher Effekt für Joe Biden praktisch ausgeschlossen. Spätestens seit dem Abflauen der Zustimmung für Bush im Jahre 2003 betreiben Demokraten und Republikaner Fundamentalopposition, falls ein Kandidat der rivalisierenden Partei im Weißen Haus sitzt. So befand sich die Netto-Zustimmung von Präsident Obama über die Hälfte seiner Amtszeit im negativen Bereich und Donald Trump erlebte während seiner Präsidentschaft nur eine einzige Woche zu Beginn seiner Amtszeit im positiven Bereich. Die Anzahl der Wähler der gegnerischen Partei, die einem Präsidenten aus Prinzip einen schlechten Job vorwerfen, steigt somit seit Jahren und es wird immer schwerer für einen Präsidenten überhaupt eine Zustimmung von 50 Prozent zu erhalten. Von den Republikanern kann Präsident Biden zudem erst recht keine Zustimmung erwarten, da mehr als die Hälfte der Republikaner nämlich entgegen der Faktenlage glaubt, dass Donald Trump der eigentliche Gewinner der Präsidentschaftswahl des letzten Jahres ist. Für sie ist Joe Biden ein illegitimer Präsident. Zustimmung ausgeschlossen.

Joe Bidens Agenda

Dies ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Denn es ist offensichtlich, dass ein Präsident, der bei der Bevölkerung beliebte Gesetze verabschiedet, sich selbst steigender Beliebtheit erfreuen kann. Doch gerade hier hapert es derzeit noch deutlich. Dass für die meisten Amerikaner wichtigste Gesetz seiner bisherigen Amtszeit war sein Corona-Hilfspaket, welches im März verabschiedet wurde und unter anderem jedem Amerikaner eine Überweisung von 1.400 Dollar zusprach. Weitere beliebte Entscheidungen stehen aber noch aus. Die Debatte über eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar die Stunde verlief im Sand, von einer großen Reform des Gesundheitssystems ist nichts zu hören und Bidens massives Infrastrukturprogramm steckt auf unbestimmte Zeit weiter im Kongress fest. Währenddessen endete der Afghanistaneinsatz, eine eigentlich sehr beliebte Entscheidung, mit Bildern die an das schmachvolle Ende des Vietnameinsatzes erinnern und einer medialen Welle der Bestürzung über das Versagen der Regierung in Afghanistan. Auch hier konnte Biden also keine Lorbeeren ernten. Er arbeitet derzeit also eher als ein Verwalter des Status quo, der nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, große und bei der Bevölkerung beliebte Reformen anzupacken. Was aber bedeutet das für die Zukunft?

Ein Blick voraus

In 13 Monaten stehen die Kongresswahlen an. Diese Wahlen zur Mitte der Amtszeit eines Präsidenten sind seit jeher vor allem ein Stimmungstest für dessen Arbeit und die seiner Partei. In den letzten Jahren fällt dieser Stimmungstest meist negativ aus. 2018 verloren Trumps Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus, ebenso die Demokraten unter Präsident Obama im Jahre 2010. Da die Demokraten derzeit nur eine minimale Mehrheit im Repräsentantenhaus besitzen, gilt es als sicher, dass sie diese nach heutigem Stand verlieren dürften. Das würde allerdings auch bedeuten, dass Biden noch weniger Möglichkeiten hätte seine Agenda durchzusetzen. Noch düsterer wird das Bild mit einem Blick auf den Senat. Hier werden zwar nur ein Drittel der Sitze neu gewählt, im Gegensatz zum Repräsentantenhaus, welches komplett neu gewählt wird. Aber da die Demokraten hier bei nur einem einzigen verlorenem Sitz auch ihre Mehrheit verlieren würden, müssen auch hier alle Alarmglocken bei den Demokraten angehen. Ein Repräsentantenhaus und ein Senat in republikanischer Hand würde das Ende nahezu aller Pläne Bidens und seiner Demokraten bedeuten. Bis zur Präsidentschaftswahl 2024 würden sich Präsident und Kongress für zwei Jahre gegenseitig blockieren.

Die Wiederwahl 2024

Kann ein Präsident mit so geringen Zustimmungswerten überhaupt wiedergewählt werden? Zunächst ist natürlich erstmal völlig unklar, ob Joe Biden sich 2024 überhaupt einer Wiederwahl stellen wird. Er ist bereits jetzt der älteste amerikanische Präsident der Geschichte. Am Wahltag im November 2024 wäre er 81 Jahre alt und falls er auch seine zweite Amtszeit komplett absolvieren sollte, wäre er am Tag seines Abschiedes aus dem Weißen Haus 86 Jahre alt. Wie lange Biden physisch wie psychisch in der Lage ist das Präsidentenamt auszufüllen ist, ist also völlig offen. Deshalb gibt es nicht wenige Experten, die vermuten, dass Biden 2024 nicht noch einmal antreten wird. Falls er sich aber doch dafür entscheiden sollte anzutreten, sollten ihm seine derzeitigen Zustimmungswerte dabei aber weniger Sorgen machen, als man vermuten würde. Da diese schlechten Werte auch von Anhängern der Demokraten getrieben sind, die sich mehr von Bidens Präsidentschaft erhofft hatten, gibt es eine gewisse Wählergruppe, die seine Arbeit zwar ablehnt aber trotzdem für ihn stimmen würde, da die Alternative eines Republikaners für sie noch schlimmer ist. So gilt die Wiederwahl für einen Präsidenten mit gerade einmal 50 Prozent Zustimmung als ziemlich sicher. Doch also gar nicht so schlechte Aussichten für Joe Biden. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.

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