Präsident Joe Biden kämpft um die Durchsetzung seiner Agenda. Ein Teil dieser Agenda ist ein riesiges Gesetzespaket, das 3,5 Billionen Dollar an Investitionen in verschiedensten Bereichen über einen Zeitraum von zehn Jahren vorsieht. Unter anderem soll Geld in die Altenpflege, das Energienetz, Schulen, Universitäten und den Kampf gegen den Klimawandel gehen. Außerdem soll das Einbürgerungsverfahren erleichtert und der Zugang zu Leistungen der staatlichen Krankenversicherung erleichtert werden. Doch ob dieses Gesetzespaket durch den Kongress kommt und in Kraft treten kann, ist derzeit noch völlig unklar, da die Demokraten noch versuchen, ihre knappen Mehrheiten sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat hinter sich zu bringen. Hilfe von den Republikanern ist dabei nicht zu erwarten.
Das Gesetzespaket
Eines der großen Versprechen von Joe Biden während der Präsidentschaftswahl war ein massives Investitionsprogramm, um sowohl die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie als auch die des Klimawandels zu bekämpfen. Biden ist nun seit neun Monaten im Amt und ist gezwungen zu liefern, da derzeit nur noch etwa 45% der Amerikanerinnen und Amerikaner zufrieden mit seiner Arbeit als Präsident sind. Ein von einem Großteil der Bevölkerung befürwortetes Investitionsprogramm wäre da ein wichtiger Schritt, um seine eigene Beliebtheit aber auch die seiner Partei für die Kongresswahlen im nächsten Jahr zu steigern. Bei diesen Plänen ist das 3,5-Billionen Dollar Paket allerdings nur ein Teil seines Programms. Biden, der großen Wert auf die immer schwieriger werdende Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern legt, hatte sein Programm auf zwei Gesetzespakete aufgeteilt. Bei einem ersten, 1,1 Billionen Dollar umfassendem Paket, arbeiteten Demokraten und Republikaner noch zusammen und so wurde es mit großer Mehrheit im August vom Senat verabschiedet. Nun wollen er und die allermeisten Demokraten diese Investitionen noch einmal mehr als verdreifachen. Eine Zusammenarbeit mit den Republikanern ist in diesem Fall ausgeschlossen. Diese lehnen den Gesetzesentwurf mit der Begründung der viel zu hohen Neuverschuldung kategorisch ab. Das heißt die Demokraten müssen alle ihre 50 Senatoren für den Gesetzesentwurf gewinnen, um ihn verabschieden zu können. Dies ist aber, wie sich zeigt, keine leichte Aufgabe.
Budget Reconciliation und der Filibuster
Um den Prozess dieses Gesetzes genauer beleuchten zu können, müssen zunächst diese beiden Begriffe näher erklärt werden. Der „Filibuster“ ist eine Regelung im Senat, die besagt, dass ein Gesetz nur mit einer Mehrheit von 60 der 100 Stimmen verabschiedet werden kann. Ursprünglich wurde diese Grenze implementiert, um den Konsens unter den Senatoren zu fördern und nur wirklich vernünftige und beliebte Gesetze in Kraft treten zu lassen. In den letzten Jahrzehnten ist die Polarisierung zwischen den Demokraten und Republikanern allerdings so stark gestiegen, dass der Filibuster häufig aus Prinzip genutzt wird, um die Gesetzesinitiativen der jeweils anderen Partei zu verhindern. Da Amerika ein ziemlich gleichmäßig geteiltes Land ist, kommt es nur sehr selten vor, dass eine Partei alleine die nötigen 60 Stimmen erhält. Um große Gesetzespakete zu verabschieden müssen sich die Parteien einer besonderen Methode bedienen: Dem „Budget Reconciliation Verfahren“. Bei diesem 1974 entwickelten Verfahren kann ein Gesetzespaket, das Haushaltsfragen betrifft, auch lediglich mit der absoluten Mehrheit der Stimmen verabschiedet werden. Dies ist allerdings nur drei mal in einem Jahr möglich, in der Realität wird dieses komplizierte und zeitaufwendige Verfahren allerdings nur alle paar Jahre benutzt. Da dieses Verfahren eine seltene Möglichkeit darstellt, ohne Kompromisse mit der Konkurrenz ein Gesetzespaket zu verabschieden, enthalten diese Pakete oft die wichtigsten Gesetze eines Präsidenten. So nutzte Präsident Trump das Verfahren 2017 um seine massiven Steuersenkungen zu verabschieden und Präsident Obama konnte so 2011 seine Krankenversicherung „Obamacare“ in die Realität umsetzen. Nun will Präsident Biden also sein Investitionsprogramm durchsetzen.
Ärger in den eigenen Reihen
Das Verfahren erweist sich allerdings alles andere als einfach. Im Senat haben sowohl Republikaner als auch Demokraten exakt 50 Abgeordnete. Für eine Entscheidung bei diesem Gleichstand sorgt die Stimme der Vizepräsidentin. So haben die Demokraten durch Kamala Harris eine hauchdünne Mehrheit im Senat. Das bedeutet wiederum aber auch, dass alle 50 demokratischen Senatorinnen und Senatoren ohne Ausnahme für das riesige Paket stimmen müssen, damit es verabschiedet werden kann. Derzeit wehren sich aber noch zwei prominente Demokraten gegen des Gesetzespaket. Einerseits wäre da Senator Joe Manchin aus West Virginia. Er vertritt einen extrem konservativen Staat, den Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl haushoch für sich gewinnen konnte. Die einzige Möglichkeit, um in einem solchen Staat als Demokrat gewählt zu werden, ist ein extrem moderates und für Demokraten konservatives Auftreten. So stemmt sich Manchin gegen die massive Neuverschuldung. Unterstützung erhält er von der in Finanzfragen ebenfalls konservativen Kyrstin Sinema aus Arizona. Befürworter des Paketes verweisen zwar auf die große Beliebtheit der Maßnahmen (die einzelnen Maßnahmen haben zwischen 53% und 80% Zustimmung in der Bevölkerung), doch noch bleiben die beiden hart. Ihnen wird allerdings vorgeworfen, dass sie ihre Entscheidung eher aus persönlichen Gründen und nicht mit dem Gemeinwohl im Kopf treffen. So verdient Manchin über 500.000 Dollar im Jahr durch Firmenanteile in der Kohleindustrie und Sinema erhielt erst kürzlich 750.000 Dollar in Spenden von verschiedenen Pharmaziekonzernen. Beide Industrien befürchten durch das Gesetzespaket benachteiligt werden.
Wie geht es weiter?
Auch im Repräsentantenhaus stößt das Gesetzespaket auf Probleme. Dort haben die Demokraten lediglich zwei Stimmen mehr, als sie für die absolute Mehrheit brauchen. Auch hier gab es Kritik von Seiten der konservativeren Demokraten und hinzu kommt noch, dass auch die progressivsten Abgeordneten das Paket kritisierten. Sie sind allerdings der Meinung, dass die Maßnahmen nicht weit genug gehen. So musste die Abstimmung über das Gesetzespaket bereits mehrfach verschoben werden. Mehrheitsführerin Nancy Pelosi gab jüngst Ende Oktober als neue Deadline für eine Abstimmung im Repräsentantenhaus an. Aber wie stehen die Chancen, dass das Paket tatsächlich verabschiedet wird? Experten gehen derzeit davon aus, dass das Gesetzespaket vor allem aufgrund der Hürden im Senat in seiner derzeitigen Form keine Chance hat, verabschiedet zu werden. Um Joe Manchin und Kyrstin Sinema zufriedenzustellen wird es wohl einige Kürzungen geben müssen, sodass das Paket am Ende wohl deutlich weniger als die geplanten 3,5 Billionen Dollar umfassen wird. Ob aber auch ein solch abgeschwächtes Gesetzespaket die Bürgerinnen und Bürger zufriedenstellen wird, muss sich in der Zukunft zeigen.