Am vergangenen Montag ist mit Colin Powell ein Mann gestorben, der ein äußerst umstrittenes Erbe hinterlässt. Einerseits war er ein Vorreiter für die Gleichberechtigung der Schwarzen Amerikas. Er war der erste schwarze nationale Sicherheitsberater und seit 1989 Vorsitzender des „Joint Chiefs of Staff“, was die höchste militärische Position im Verteidigungsministerium ist. Nach seiner militärischen Karriere kehrte er 2001 aus dem Ruhestand zurück, um als erster Schwarzer unter Präsident George W. Bush Außenminister zu werden. In dieser Position erklärte er am 05. Februar 2003 vor den Vereinten Nationen, dass der Irak unter Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei und plane eine Atombombe zu entwickeln. Diese Lügen halfen dabei den drei Monate später beginnenden Irakkrieg zu legitimieren. Doch nach seinem Tod ist von der zweiten Hälfte seiner Karriere kaum etwas zu hören. Stattdessen wird Powell als Held gefeiert.
Das Vorbild
Colin Powell wurde am 05. April 1937 als Sohn von Einwanderern aus Jamaika in New York geboren. 1955 trat er während seines ersten Jahres am College dem Reserveoffiziers-Ausbildungskorps bei. Powell beschrieb er habe beim Militär endlich seine Berufung gefunden. Von 1962 bis 1963 und von 1968 bis 1971 nahm Powell als Berater der südvietnamesischen Armee und Assistent des Stabschefs der 23. Infanteriedivision am Vietnamkrieg teil. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg besuchte er für einige Jahre die Universität und arbeitete weiter als Sicherheitsberater für die Regierung. In den beiden letzten Jahren der Amtszeit von Ronald Reagan war Powell nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten. Unter dessen Nachfolger George H. W. Bush wurde er schließlich 1989 zum Vorsitzenden des „Joint Chiefs of Staff“ ernannt. In dieser Funktion war er nun der wichtigste Berater der Regierung in Militärfragen. Als H. W. Bush drei Jahre später seine Wiederwahl verlor und mit dem Demokraten Bill Clinton ein neuer Ansatz der Außenpolitik in das Weiße Haus Einzug erhielt, fühlte sich Powell nicht mehr wertgeschätzt und trat deshalb am 30. September 1993 von seinem Posten zurück. Colin Powell hatte somit eine herausragende militärische Karriere absolviert und einige Positionen als erster Afroamerikaner bekleidet. Zurecht wurde er deshalb als Vorbild gefeiert.
Ein Leben in der Politik?
Während seiner Zeit an der Seite der Präsidenten Reagan und H. W. Bush erlangte Powell nationale Bekanntheit. Als ranghöchster Afroamerikaner der Regierung galt er schon bald als wichtige Persönlichkeit, die beiden Parteien beim Kampf um schwarze Wähler hilfreich sein könnte. Dabei hatte Powell bisher weder Republikaner noch Demokraten öffentlich unterstützt. Das hielt allerdings keine der beiden Parteien davon ab, über ihn als möglichen Vizepräsidenten für die Wahl 1992 zu diskutieren. Unter diesem Druck, sich entscheiden zu müssen, erklärte er sich schließlich zu einem Republikaner, auch wenn er eine mögliche Rolle als Vizepräsident aus mangelndem Interesse ablehnte. Ein ähnliches Bild ergab sich 1996. Powell galt als aussichtsreicher Bewerber für die Rolle als Präsidentschaftskandidat der Republikaner, doch er lehnte erneut ab. Auch 2000 wiederholte sich dieses Spiel.
Der Kriegsverbrecher
Um die Jahreswende 2000/01 sollte Powell erneut Geschichte schreiben. Der frisch gewählte Präsident ernannte ihn zum Außenminister und damit erneut in das höchste Amt, dass ein Afroamerikaner zu diesem Zeitpunkt jemals in der amerikanischen Regierung innehatte. Seine Amtszeit als Außenminister wird nun aber von einem einzigen Tag überschattet: Dem 05. Februar 2003. An diesem Tag sollte er im Auftrag von Präsident George W. Bush eine Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen halten, um diese von einem militärischen Einsatz im Irak zu überzeugen. Er gab in seiner Rede an, dass Saddam Hussein im Besitz von biologischen Waffen sei und ebenfalls dabei sei eine Atombombe und weitere Massenvernichtungswaffen zu entwickeln. Beide Aussagen waren wissentlich gelogen. Zwar wurde in den nächsten Wochen deutlich, dass die von Powell vorgebrachten Beweise nicht aussagekräftig waren, doch das änderte nichts an der Meinung der amerikanischen Regierung und so begann am 19. März 2003 die Invasion des Irak. Die Todeszahlen in den über acht Jahren, in denen die US-Armee in Irak stationiert war, sind nur schwer einzuschätzen. Sie liegen zwischen etwas mehr als 100.000 Tausend und über 600.000. Viele davon Zivilisten. Auch wenn seine Rede auf die Initiative von Präsident Bush geschah und Powell lediglich wegen seiner Glaubwürdigkeit eingesetzt wurde, half er mit ihr einen illegalen Angriffskrieg vom Zaun zu brechen, was als Kriegsverbrechen gewertet werden muss. Nach dem Wahlsieg von Präsident Bush 2004 entscheid sich Powell von seinem Amt zurückzutreten und sich ins Privatleben zurückzuziehen.
Im Ruhestand
Trotz seiner Rolle beim Weg in den Irakkrieg blieb Powell ein beliebter und gefragter Mann in den Medien. So wurde sein langsamer Bruch mit der Republikanischen Partei mit großem Interesse verfolgt. So gab er an, dass er seit 2008 bei den Präsidentschaftswahlen jedes Mal für den Kandidaten der Demokraten gewählt habe. Trotzdem blieb er auch unter Präsident Trump, den er mehrfach kritisierte, Teil der Republikanischen Partei. Dies änderte sich erst nach dem Sturm auf das Kapitol von Trump-Anhängern am 06. Januar 2021. Wenige Tage später beendete er seine Parteimitgliedschaft.
Rezeption
So ist es auch wenig verwunderlich, dass Donald Trump in seinem Statement zu Powells Tod den ehemaligen Außenminister für seine Fehler kritisierte. Im Gegensatz dazu äußerte sich die große Mehrheit der Politiker beider großen Parteien überaus positiv über den Verstorbenen. Er sei ein amerikanischer Held gewesen, der immer das Beste für sein Land gegeben habe. Auch in den Medien wurde nahezu ausschließlich das Bild eines Vorbildes beschrieben, der immer seine Pflicht getan habe. Natürlich war dies ein Teil des Lebens von Colin Powell, doch im Anbetracht der Opfer, die seine Lügen verursacht haben, würde eine ausgewogenere Rezeption sicherlich näher an der Wahrheit sein, als die Perpetuierung eines weiteren amerikanischen Helden.