Andrew Yang war 2019 einer der aufregenderen Kandidaten bei den Vorwahlen der demokratischen Partei für die Präsidentschaftswahl. Der Tech-Millionär aus New York hatte keinerlei politische Erfahrung und galt als aussichtsloser Kandidat. Doch mit seiner charismatischen Art und einem ungewöhnlichen Politikansatz konnte er sich schnell einen Namen machen und durfte an einer Reihe von landesweiten Debatten teilnehmen. Auch wenn es nur für den neunten Platz bei den Vorwahlen reichte und er im Februar 2020 seine Kandidatur für beendet erklärte, konnte er diese trotzdem als Erfolg werten. Als vorher unbekannter Unternehmer erlangte er landesweite Bekanntheit und konnte sich einer beachtlichen Gruppe Unterstützer erfreuen, die vor allem auf sozialen Medien für ihn warben. Dementsprechend war es keine große Überraschung, dass er nach dem Ende seiner Kampagne ankündigte, weiter in der Politik verbleiben zu wollen.
Bürgermeister von New York
Noch im Dezember 2020 hatte er sich entschieden, wie es mit seiner politischen Karriere weitergehen sollte. Bereits im Sommer hatte Yang in Interviews verlauten lassen, dass er Interesse habe, für das Bürgermeisteramt seiner Heimatstadt New York City zu kandidieren. Nachdem er in ersten Umfragen der beliebteste Bewerber der demokratischen Partei war, verkündete er am 23. Dezember 2020 offiziell seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt der größten amerikanischen Metropole. Die Bewerbung verläuft hier ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen. Jede Partei hält eine Vorwahl ab, bei der der Kandidat mit den meisten Stimmen für diese Partei zur tatsächlichen Wahl für das Bürgermeisteramt antreten kann. Da New York City allerdings von der Demokratischen Partei dominiert wird, ist die einzige wichtige Wahl die Vorwahl der Demokraten. Wer auch immer diese gewinnt, wird gegen einen Herausforderer der Republikaner leichtes Spiel haben. Yang musste also lediglich die Vorwahlen am 22. Juni 2021 gewinnen, um sicher in das New Yorker Rathaus einziehen zu können. Bis zum April konnte er die Führung in den Umfragen mit teilweise über 25% der Stimmen für sich beanspruchen, doch dann begann sein schleichender Abstieg und am Wahltag erreichte er schließlich nur noch 12,2% der Stimmen und damit den abgeschlagenen vierten Platz. Damit war nun auch dieser Traum für ihn geplatzt.
Die Forward-Party
Nach diesen beiden Rückschlägen hat sich Yang nun dazu entschlossen die Demokratische Partei zu verlassen und seine eigene zu gründen. Die Details dafür werden in seinem Buch „Forward: Notes on the Future of Our Democracy“ bekanntgegeben, welches am 05. Oktober erscheint. Die Grundlinien seiner Partei sind aber bereits jetzt bekannt:
- Rangfolgewahlen und offene Vorwahlen
- Faktenbasiertes Regieren
- Kapitalismus mit dem Menschen im Vordergrund
- eine effektive und moderne Regierung
- ein bedingungsloses Grundeinkommen
- Anstand und Toleranz
Wie man an einigen Aspekten sieht, ist Yangs Plattform noch relativ unausgereift und muss in den kommenden Monaten konkretisiert werden. Deutlich wird aber, dass er sich mit seiner neuen Partei weiter links als die meisten Demokraten und US-Präsident Joe Biden platzieren wird. Gerade das bedingungslose Grundeinkommen spielt für ihn eine besondere Rolle, da es bereits während seiner Präsidentschaftskandidatur sein Alleinstellungsmerkmal unter den Bewerbern war. Insgesamt wird Yangs Politikansatz als „technokratisch“ bezeichnet. Das bedeutet, dass man seine politischen Entscheidungen ausschließlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Faktenwissen trifft.
Welchen Einfluss wird die Partei haben?
Die Forward Partei wird auf jeden Fall ernstgenommen werden müssen. Dafür ist Yang in den USA zu bekannt und hat genügend finanzielle Mittel, um sich und seine Partei in der Öffentlichkeit zu platzieren. Doch das amerikanische Wahlrecht spricht gegen ihn. Bei den Kongresswahlen und auch bei den Präsidentschaftswahlen wird schließlich nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Das bedeutet, dass nur der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis diesen vertreten kann, alle anderen Kandidaten gehen leer aus. Dieses Wahlrecht hat in Amerika zu einem Zweiparteiensystem geführt, in dem weitere Parteien praktisch keine Chancen auf politische Vertretung haben. So gibt es derzeit nicht einen einzigen Kongressabgeordneten oder Kongressabgeordnete, der nicht den Republikanern oder den Demokraten angehört. Deswegen ist der für seinen Erfolg wichtigste Punkt seiner Partei eine Änderung des Wahlrechts. Die Rangfolgewahl (ranked-choice-voting) wird derzeit in den USA immer beliebter und wurde zum Beispiel bereits Yangs letztem Engagement für das Bürgermeisteramt von New York City verwendet. Hier kann der Wähler beliebig viele Kandidaten auf dem Wahlzettel nach seiner Präferenz sortieren. Wenn niemand 50% der Stimmen erhält, wird der letztplatzierte Kandidat aus dem Rennen eliminiert und seine Stimmen werden nach dem Zweitwunsch seiner Wähler auf die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten verteilt. Dieses Schema wird solange wiederholt, bis jemand die 50% der Stimmen erreicht hat. Auf diese Art und Weise kann man dem bei Republikanern wie Demokraten verhassten „Spoilereffekt“ umgehen. Zur Erklärung: Nehmen wir einmal an, dass ein Wahlbezirk zur Hälfte aus Demokraten und Republikanern besteht. Wenn nun neben diesen beiden Parteien Yangs Partei antritt, die den Demokraten deutlich näher steht als den Republikanern, teilen sich die sonst demokratischen Wählerinnen und Wähler auf ihre und Yangs Partei auf und am Ende gewinnen die Republikaner. Auch aus diesem Grund bekämpfen die beiden etablierten Parteien sehr erfolgreich jegliche ihnen nahestehenden Kleinparteien. Ohne eine Wahlrechtsreform wird die Forward Partei also keine Chancen haben und wieder in der politischen Versenkung verschwinden, wenn allerdings weitere Bundesstaaten ihr Wahlrecht reformieren würden, würde der ungeliebte „Spoilereffekt“ verschwinden und kleinere Parteien hätten tatsächlich eine Chance in politische Ämter gewählt zu werden.